Beginnen tun wir mal mit dem Ende. Felix Sturm wurde am 30.04.2020 vom Landgericht Köln zu drei Jahren Haftstrafe wegen
Steuerhinterziehung, versuchter Steuerhinterziehung, Verstoss gegen das Anti Doping Gesetz und Körperverletzung verurteilt.
Ausschlaggebend für das Urteil war, daß das Landgericht zu der Erkenntnis gekommen war, das Sturm dem Fiskus Einnahmen
von 1 Million EURO verschwiegen hatte. Ferner war Sturm 2016 positiv getestet worden - ausgerechnet nach seinem letzten
Kampf und damit war dieser Doping Betrug automatisch versuchte Körperverletzung.
Die guten Nachrichten für Sturm sind, daß (a) ein Schlussstrich gezogen wurde nach vier Jahren und (b) 8 Monate angerechnet
werden, die Sturm schon in U Haft verbrachte. Für den Rest ist ein offener Vollzug möglich.
Felix Sturm war fünfmal Weltmeister - und jetzt ist er ein vorbestrafter Steuerhinterzieher und Doping Sünder. Na und, wird sich
mancher fragen - das ist doch typisch beim Boxen. Alles Halbwelt und (Halb)Kriminelle, viel Schein und wenig Sein. Wer so
urteilt, der macht es sich ein wenig leicht. Zumindest aus der Sicht des Sportlers, denn Boxen gilt - unter Sportlern - eben als
die Sportart, die körperlich und mental als eine der fordernsten überhaupt gilt.
16 Jahre ist das fast her, als ich Sturm in einem Kampf gegen Oscar de la Hoya sah - damals in Las Vegas. Für die Uneingeweihten:
De la Hoya war einer der grössten, bekanntesten und besten Boxer, die es jemals ausserhalb des Schwergewichtes gab und
trug nicht zu Unrecht den Spitznahmen „The Golden Boy“. Er erwarb sich diesen Spitznamen, weil er ein technisch überragender
Boxer war, weil er stets Erfolg hatte und weil er tatsächlich ein wirklich gut aussehender Bursche war.
Dieser Oscar de la Hoya wollte gegen einen anderen grossen Boxer den nächsten Titel holen - gegen Bernard Hopkins und stieg
deswegen ins Mittelgewicht auf. Quasi als Vorbereitungskampf boxte la Hoya gegen Sturm, den damaligen WBO Weltmeister. Ganz
eindeutiger Favorit: Oscar de la Hoya.
Ich weiss nicht, wer die Taktik entworfen hatte, mit welcher Sturm gegen de la Hoya boxte - war es sein Trainer, sein Manager, war
es Sturm selber, aber wer auch immer es war - sie war genial. Und Sturm setzte sie um. Kam de la Hoya im Infight und versuchte
schnelle Schlagfolgen, dann verpasste im Sturm linke und rechte Haken. Ging de la Hoya auf Distanz, setzte ihm Sturm unerbittlich
mit Geraden mit der Führhand zu. Was auch immer passierte, nicht de la Hoya dominierte Sturm, Sturm dominierte de la Hoya.
Ende des Kampfes und alle waren einig - klarer Punktsieger Sturm. Es kam anders, weil es anders kommen musste. Die Kampfrichter entschieden für de la Hoya, jeder wollte den Kampf zwischen de la Hoya und Hopkins, keiner den zwischen Hopkins und Sturm. Das Urteil war Sportbetrug und Sturm hat wohl in diesem Kampf gelernt, daß man mit Betrug durch kommen kann. Das macht seine Vergehen nicht weniger, die Dinge die er tat nicht kleiner - aber es mag wohl etwas erklären.
Felix Sturm - der gar noch ein Combeback plante - wird nicht mehr in den Ring zurück kehren. Und er wird seine Strafe absitzen
müssen, offener Vollzug hin oder her. Er ist jetzt ein Gebrandmarkter, ein tiefer Fall vom fünffachen Weltmeister zum Straftäter.
Tut er mir leid?!..Ja und nein. Nein, weil nichts rechtfertigt, was er sich ab einem gewissen Zeitpunkt geleistet hat. Ja, weil
ich nachvollziehen kann wie der Mann sich durch seine Boxkarriere geplagt hat - all dieser Aufwand, diese Intensität des
Trainings, dieses unendliche Leiden im Ring. Und ja, weil man ihn in seinem grössten Kampf so unrecht getan hat, so offensichtlich
betrogen.
Es wird interessant sein zu verfolgen, wie Sturm sein Leben weiter lebt. Er ist erst 40, da ist noch lange nicht Schluss