Der Verein ist erpressbar geworden, das ist uns spätestens seit Noor Bashas kryptischem Hashtaq allen klar. Die Gründe dafür sind hausgemacht. Auch darüber dürfte in der Löwengemeinde weitgehende Einigkeit vorherrschen. Die Frage ist nun allerdings: Lassen wir uns unwidersprochen mit dem Messer auf der Brust drohen oder nehmen wir wie echte Löwen den tödlichen Dolchstoß hin?
Um diese Frage für mich zu beantworten, muss ich etwas weiter ausholen:
Die Partnerschaft mit Hasan Ismaik wird nun, unter Ausnahme weniger Episoden der oberflächlichen Harmonie, bald vier zermürbende Jahre weitgehend durch gegenseitiges Misstrauen, Anschuldigungen, Unterstellungen und teilweise sogar öffentlich vorgebrachte Beleidigungen ausgefüllt. Einen kurzfristigen gemeinsamen Nenner fand man immer nur, wenn erneut existentielle finanzielle Engpässe absehbar waren und die Zweckgemeinschaft sich gezwungen sah zusammen zu rücken, um nicht das Gesamte zu verlieren. Für Hasan Ismaik wären das in etwa 50 Mio. kolportierte Euro aber auch ein sehr kränkender, schmerzhafter Gesichtsverlust vor der eigenen Familie und in der arabischen Geschäftswelt. Vor dem Hintergrund von über 1,0 Mrd. $ Privatvermögen scheint zumindest der finanzielle Schaden für Herrn Ismaik verschmerzbar zu sein. Für den Verein gibt es hier, je nach individueller Begabung die Welt positiv zu sehen, die unterschiedlichsten Prognosen. Die Realistischen davon dürften aber allesamt deutlich schlechter ausfallen, als jene des Herrn Ismaik. Sicher ist dabei auch entscheidend, wie teuer Hasan Ismaik seinen sozialen Schaden rächen will.
Wir sind dank Noor’s medialer Ehrlichkeit also an dem Punkt angekommen, an dem uns Goliath unversöhnlich gegenüber steht und wir noch nicht einmal eine Schleuder zur Hand haben. Folglich können wir uns mit der Konsequenz einer vollkommenen Versklavung ergeben, oder aber wir lassen uns mit erhobenem Haupt heroisch von der Übermacht in den Sand treten. Dazwischen läge noch Version Drei: Wir versuchen weiterhin mit Diskutieren oder, wenn nötig, auch Lamentieren das ungleiche Gefecht solange hinaus zu zögern, bis uns wundersam doch noch jemand eine Schleuder reicht. Das hat über die Jahre bisher auch immer geklappt. Wir können in Anbetracht der erbärmlichen aktuellen sportlichen Situation nun behaupten, das sei zwar ein Pyrrhussieg, aber immerhin ein Sieg. Soweit will ich aber doch nicht gehen. Der Status Quo ist auf der ganzen Linie eine vernichtende Niederlage und der Verein wirkt seit dem Einstieg von Hasan Ismaik nahezu gelähmt. Der Preis für sein Geld ist ein qualvolles, vier Jahre andauerndes Siechtum ohne jegliche Aussicht auf Besserung. Natürlich mögen Oliver Griss und seine Jünger jetzt empört aufspringen und mit gestrecktem Finger auf Dieter Schneider, Hep Monatzeder, Otto Steiner und Gerhard Mayrhofer deuten. „Ihr habt den Investor nach allen Regeln der Kunst blockiert, brüskiert und belogen. Ihr habt unseren Verein auf dem Gewissen und nicht Hasan Ismaik!“ Dieser Argumentation kann man sich nur schwer wiedersetzen. Wahrscheinlich stimmt sie sogar in beiden Teilen. Nur der unausgesprochenen Kausalität will ich nicht zustimmen. Wir wären heute mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch unter einer absoluten Regentschaft von Hasan Ismaik keinen einzigen Punkt in der Tabelle besser, nur der Investor noch wesentlich mehr Geld los. Begründen möchte ich meine Behauptung mit der offensichtlichen sportlichen Naivität des Herrn Ismaik. Was wurden uns aus Abu Dhabi denn teils abenteuerliche Vorschläge gemacht? Da gab es die Zote um den ausgewiesenen Zweitligaexperten Sven Göran Erikson. Oder jene, in der ein ehemaliger ägyptischer Nationaltrainer die sportliche Arbeit in München bewerten sollte. Nun soll ein Pharmazeut ohne jegliche Erfahrung im deutschen Profifußball den Kader gemeinsam mit dem krachend gescheiterten Gerd Poschner zusammenstellen. Wohlgemerkt mit jenem Geschäftsführer Sport, auf dessen Kappe gefühlte zehn Fehleinkäufe und drei verschlissene Trainer in nicht einmal zwölf Monaten gehen. Wem das noch nicht reicht, um an einer positiven Entwicklung unter Hasan Ismaik zu zweifeln, der möge doch mal die Stadionbesuche des Investors in den vergangenen vier Jahren zusammenzählen. Ich glaube nicht, dass wir dafür mehr als zehn Finger benötigen. Das ist, wie mit dem teuren Spielzeug, das sich mein Sohn Weihnachten 2011 gewünscht hat und nun seit drei Jahren vergessen im hintersten Regal noch nicht einmal vom Staublappen gewürdigt wird. Hasan Ismaik nimmt nach meinem Gefühl 1860 München nur noch dann war, wenn wieder einmal ärgerliche finanzielle Forderungen an ihn heran getragen werden.
So nun schließe ich meine quälend langen Ausführungen und werde meine anfänglich gestellte Frage bewusst offen lassen. Es bleibt jedem Einzelnen frei, ob er Türchen eins, zwei oder drei wählt. Sehr wahrscheinlich lauert sowieso hinter jedem Vorhang der Zonk. Auch wenn jener hinter dem ersten Tor für meinen Geschmack eine besonders hässliche Fratze zieht.