Fußball-Gewalt-Chaos in München: 5 Tote!
Unterhaching. Der Schock sitzt bei den Beteiligten drei Tage nach der Katastrophe noch immer tief. Bei gewalttätigen Ausschreitungen am Rande des Drittliga-Hassderbys zwischen dem TSV 1860 München und der SpVgg Unterhaching (2:2) kamen fünf Menschen ums Leben, weitere 40 wurden teils schwer verletzt. Es ist der traurige Höhepunkt einer neuen Dimension der Gewalt, die den deutschen Fußball erschüttert.
Tragödie mit Ansage
Dass mit den sogenannten Fans des TSV 1860 München nicht zu spaßen ist, ist bekannt. Auf 125.000 Euro summierten sich die Geldstrafen des DFB an die Löwen allein in der Saison 2023/24. Auch in dieser Saison machten die Fans des TSV schon öfter mit Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam: Bereits beim Hochrisikospiel des TSV 1860 im Münchner Grünwalder Stadion im September gegen Dynamo Dresden musste der Anpfiff aufgrund des unkooperativen Verhaltens der Fans um eine halbe Stunde verschoben werden. Duplizität der Ereignisse dann auch am Sonntag vor dem Spiel in Unterhaching: Durch das teils aggressive Verhalten der Gästefans beim Einlass verpassten einige der angereisten Zuschauer den Anpfiff. Dabei war die Brisanz des Duells bereits im Vorfeld klar: Seit Jahren verbindet die Anhänger beider Vereine aufgrund ihrer geographischen Nähe eine intensive Feindschaft. Vor der Saison wechselten drei Spieler aus Unterhaching, Patrick Hobsch, Raphael Schifferl und Rene Vollath die Seiten, schlossen sich den Löwen an und gossen damit weiteres Öl ins Feuer.
Pyrotechnik, Hassplakate gegen die Polizei
Das Entsetzen stand dem neutralen Beobachter schon früh an diesem denkwürdigen Abend im Unterhachinger uhlsport Park ins Gesicht geschrieben. Nach bereits 15 Minuten Spielzeit sah sich Schiedsrichter Cristian Ballweg gezwungen, aufgrund der Gewalt im Löwenblock das Spiel zum ersten Mal zu unterbrechen. Aus dem Block der Löwenanhänger wurde Pyrotechnik gezündet. Die Fackeln werden bis zu 2000 Grad heiß und stellen daher für die unbeteiligten, umstehenden Personen Lebensgefahr dar. Zeitgleich hielten die sogenannten Löwenfans Hassplakate gegen die Polizei hoch.
Verband, Polizei und Vereine hätten es wissen können
Genau jene Polizei ließ die Choaten jedoch unbehelligt gewähren, wie so oft in solchen Momenten, wodurch sich wohl einige Unbelehrbare ermutigt fühlten, an diesem Abend weiter die Grenzen auszutesten. Ein Fehler, wie sich im späteren Verlauf der Nacht herausstellen sollte. Anders nur wenige Stunden zuvor in Schweden: Als beim Stockholmer Derby zwischen Hammarby IF und Djurgardens IF 15 Minuten vor Spielende die Lage nicht in den Griff zu bekommen war, sah sich die Polizei gezwungen, die Veranstaltung zu beenden. Das Spiel wurde am Montag unter Ausschluss der Öffentlichkeit beendet. Ein Modell für die Zukunft auch in Deutschland?
Zu Tode getrampelt von den eigenen Anhängern
Nach dem Ausgleich zum 2:2 staute sich der Frust bei den Löwenanhängern weiter an. Weiter provoziert dürften sie sich durch Spruchbänder aus dem Block der Anhänger der Unterhachinger gegen ihre drei Ex-Spieler im Trikot der Löwen gefühlt haben. Die Gewalt entlud sich nach dem Spiel. Mehrere tausend Löwenanhänger drängten zeitgleich Richtung Ausgang. Ob der Blocksturm der zuvor geschmähten Polizei oder den verhassten Unterhachingern galt, die ihre drei Helden in blau schmähten und einen Punkt gegen die Löwen mitnehmen konnten, blieb zunächst unklar. In dem Chaos entstand Panik, bei der die Ordnungskräfte hilflos zuschauen mussten. Fünf Tote sind die traurige Bilanz des Gewaltexzesses, dessen Aufarbeitung sich aufgrund des allgemeinen blauen Chaos in Unterhaching unter erschwerten Bedingungen erfolgt. Entscheidende Videosequenzen oder Sicherheitskonzepte gingen in dem Tumult leider unwiederbringlich unter.
Reaktionen aus Politik und Sport
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) drückte im Rahmen seiner wichtigen Amtgeschäfte bei einem Termin mit dem Kabarettisten Dieter Nuhr zur Verleihung des „TV & Streaming Award 2024“ via Instagram sein Beileid mit den Angehörigen der Opfer aus. Einmal mehr zeige sich, dass unnötige Bürokratie aus Berlin vernünftige Sicherheitskonzepte verunmögliche: „Statt grünen Schildern zu Notausgängen sollten die Grünen lieber endlich den Notausgang aus der Ampel wählen, damit solche Katastrophen zukünftig verhindert werden können.“ Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, fordert endlich mehr Unterstützung von der Politik. Ereignisse wie die am Sonntag würden zeigen, dass Ausgaben von über 100 Millionen Euro für Polizeieinsätze bei Fußballspielen nicht ausreichend sind: „Wir würden dieses traurige Ereignis gerne zum Anlass nehmen, um den Steuerzahler noch mehr für unsere Wasserschlachten in Regress zu nehmen. Die gemeinsamen Wochenendausflüge stellen wichtige Teambuildingmaßnahmen dar, im Rahmen derer wir unseren Überlegenheitsgelüsten gegenüber dem Pöbel freien Lauf lassen können. Welche gesellschaftliche Gruppe außer Fußballfans könnten wir denn sonst ohne jedwede Kontrolle jedes Wochenende schickanieren? Demonstranten? Ausländer? Das macht der Zeitgeist leider einfach nicht mehr mit.“ Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, der in weiser Voraussicht bereits Mitte Oktober zu einem Fangipfel ohne Fans einlud, um das Vorgehen gegen diejenigen zu besprechen, die Eintrittskarten, TV-Abos und Produkte der Vereine sowie deren Sponsoren und Investoren bezahlen, blickt derweil für eine Lösung der Problematik nach England: „1989 kamen im Hillsborough Stadium ebenfalls 97 Menschen bei Ausschreitungen einiger Unbelehrbarer zu Tode. Eine Abschaffung der Stehplätze führte zu einer Befriedung der Situation. Hillsborough muss Vorbild sein!“
DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der sich Anfang der Woche noch für eine Aussetzung der kommenden Spieltage der beiden Bundesligen und der 3. Liga aus Respekt vor den Toten aussprach, gab nun zu Protokoll, sich den Fußball nicht von einigen Chaoten wegnehmen lassen zu wollen. DFB und DFL sahen sich mit Regressforderungen der TV-Rechte-Inhaber konfrontiert. Darüber hinaus lässt der enge Spielplan keine Spielverlegungen in diesem Ausmaß zu. Auch der Anfangs geforderte Ausschluss des TSV 1860 München aus der 3. Liga sei nun kein Thema mehr: „Wir wollen nicht, dass immer eine Mannschaft spielfrei hat. Daher werden wir aus Kulanzgründen die Spiele der Löwen lediglich aus der Wertung nehmen und lediglich mit 2:0 für den Gegner werten.“ Neuendorf weiter: „Der Fußball ist Volkssport in Deutschland. Er verbindet Menschen aller Schichten und Herkunften. Damit hat er eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Das dürfen wir uns nicht von einigen Unbelehrbaren kaputt machen lassen.“
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