Hier der ganze Text: "s gibt diese seltenen Momente, in denen sich die Realität wie eine Reminiszenz an einen Traum anfühlt – so fragil, dass man kaum zu atmen wagt aus Angst, das neu Gefundene könne sich als Trugbild erweisen. Das, was sich derzeit bei 1860 München vollzieht, wirkt wie solch ein Moment.
Wie kommt es, dass wir uns – nach Jahren des inneren Zerwürfnisses, der mühsamen Selbstbehauptung gegen Investorenwahn und Identitätsverleugnung – in einer Lage wiederfinden, die man vorsichtig als verheißungsvoll bezeichnen könnte? Ist es möglich, dass sich das Schicksal, das uns so lange mit müder Gleichgültigkeit betrachtete, nun mit einem Anflug von Milde zuwendet?
Ein neuer Geldgeber tritt auf – doch nicht mit dem penetranten Pathos der Macht, sondern mit einem Bekenntnis. Nicht zu sich selbst, sondern zu Giesing. Zur Turnhalle, zur Topografie unserer Erinnerung. Währenddessen verlässt Hasan Ismaik das Geschehen auf eine Weise, die in ihrer Unerwartetheit fast poetisch anmutet: ohne großen Knall, ohne letzte Abrechnung. Es ist, als habe sich selbst die Tragödie müde gespielt.
An seine Stelle tritt kein Triumph, sondern eine neue Nüchternheit. Ein Präsidium, das nicht antritt, um zu herrschen, sondern um zu dienen. Und Reisinger – jener unbeirrbare Verfechter eines Sechzigs mit Rückgrat – verabschiedet sich, nicht als Gescheiterter, sondern als einer, der standgehalten hat.
Übrig bleibt nur mehr eine kleine Gruppe, deren Vision von Sechzig so blutleer ist, dass man fast Mitleid empfindet. Stadionträume am Stadtrand, Bayern-light-Fantasien, orchestriert von einem Mann namens Griss, dessen Bedeutung mit jedem Tag ohne Ismaik matter wird. Auch ich, der ich lange gegengehalten habe, spüre, dass mein Widerstand an Dringlichkeit verliert – weil das, wogegen man einst anschreiben musste, an Substanz verliert.
Stattdessen: leise Zuversicht. Ein Kader, der Bock macht . Eine Mannschaft, die mehr verspricht als das bloße Ergebnis. Eine Shoppräsenz in der Innenstadt – keine bloße Verkaufsfläche, sondern ein Statement: Wir sind da. Sichtbar. Unverhandelbar. Und bald vielleicht auch wieder schön – wenn die Fanartikel nicht mehr wie Requisiten einer alten Komödie wirken, sondern wie das, was sie sein sollten: Ausdruck einer Identität.
Sechzig ist nicht plötzlich geheilt. Aber es ist in Bewegung. Und diese Bewegung ist keine Flucht mehr – sondern ein Aufbruch. Nicht in die Breite, sondern in die Tiefe. Nicht in ein Stadion mit Parkhaus am Irschenberg, sondern in ein Gefühl, das wir lange verloren glaubten: das Gefühl, dass das alles hier – unser Verein, unser Viertel, unsere Idee – wieder uns gehört.
Und wenn es ein Traum ist, dann lasst uns nicht aufwachen. Noch nicht."