Interviews mit den Verwaltungsrat-Kandidaten

Ich wohne derzeit weit von München weg und weiß leider auch nicht wer du bist, daher antworte ich nochmal hier:

Wenn die Kündigung des Kooperationsvertrages im Zeitraum zwischen der Nicht-Lizenzerteilung für die 3. Liga 2017 und der Sanierungsvereinbarung „u.a. aufgrund der Folgen für den e.V.“ „praktisch nicht möglich gewesen wäre“, dann handelt die aktuelle Vereinsführung mit denselben Argumenten, mit denen Dieter Schneider 2011 den Verein verkauft hat. Auch damals hätte die Nicht-Zusammenarbeit mit Ismaik nicht nur schlimme Folgen für die KGaA, sondern auch für den e.V. gehabt. Schneider kann man zumindest noch zu Gute halten, dass damals noch nicht absehbar war, wie schlecht die Kooperation mit Ismaik funktionieren würde. Die aktuelle Vereinsführung wusste das. Sie hatte im Sommer 2017 zwei Möglichkeiten auf dem Tisch: Entweder die Kündigung des Kooperationsvertrages aufgrund der „naheliegenden Pflichtverletzung“ Ismaiks mitsamt der evtl. negativen Folgen für den e.V., oder die Sanierung der gemeinsamen Firma mit Ismaik mitsamt der negativen Folgen, die diese depperte „Zusammenarbeit“ mit Ismaik bringt. Man hat sich genau wie Schneider damals für Ismaik entschieden.

Das Argument „negative Folgen für den e.V.“ ist ein Scheinargument. Man muss hier auch mal Ross und Reiter benennen, anstatt genau wie alle Vorgänger der aktuellen Vereinsführung den Untergang des TSV 1860 an die Wand zu malen, hätte man sich gegen das alternativlose eigene Handeln entschieden. Um was geht es denn? Die Gemeinnützigkeit? Dann lass uns dieses Szenario doch mal durchspielen: Die Gemeinnützigkeit wird nachträglich für den in Frage stehenden Zeitraum entzogen, der TSV 1860 e.V. muss eine große Steuernachzahlung aufbringen. Das Geld haben wir nicht, der e.V. geht in die Insolvenz. Und dann? Wie viele Vereine wurden aufgrund von Steuernachzahlungen liquidiert? Mir ist keiner bekannt. Was mir bekannt ist, sind drei bayerische Vereine, die deutlich unbekannter als die Löwen sind, die auch Steuernachzahlungen leisten mussten, die es aber immer noch gibt und die teilweise aufgrund von Vergleichen noch nicht einmal ins Insolvenzverfahren mussten: Der SC Fürstenfeldbruck, TSV Aindling und der BC Aichach (Steuernachzahlung, keine Insolvenz dank Bürgschaft der Stadt). Wenn der SC Fürstenfeldbruck, der TSV Aindling und der BC Aichach Vergleiche mit dem Finanzamt und Bürgschaften von der Stadt hinbekommen, ja nicht mal ein Insolvenzverfahren eröffnen müssen, warum um alles in der Welt sollte das für den TSV 1860 München, den 20. größten Sportverein Deutschlands, nicht möglich sein?

Dann gäbe es noch das Argument, der TSV 1860 würde an Renomee verlieren, ginge er in die Insolvenz. Eine Insolvenz hätte so negative Auswirkungen auf unser Ansehen, unsere Zuverlässigkeit und würde sich so negativ auf die zukünftige Sponsorenbindung auswirken. Es wäre klar, die Löwen könnten nicht mit Geld umgehen. Ich frage: Welche Auswirkungen hat das Aufrechterhalten des Kooperationsvertrages auf unser Ansehen, unsere Zuverlässigkeit und auf unsere zukünftige Sponsorenbindung? Kann unsere Außendarstellung in Sachen Umgang mit Geld wirklich noch schlechter werden? Auch dieses häufig vorgetragene Argument ist keines. Nichts ist für die Außenwirkung des TSV 1860 fataler als die Geiselhaft unter Ismaik. Sowohl aus Fansicht, als auch im Bezug auf die Attraktivität auf potenzielle Partner aus der Wirtschaft.

Die Argumente die man jetzt hört, warum der Kooperationsvertrag im Sommer 2017 nicht gekündigt werrden konnte, sind dieselben die man 2011 hörte, als man Sechzig an Ismaik verkaufte. Sie waren damals falsch, und sie sind heute falsch.

Es wäre verständlich, wenn man den Kooperationsvertrag nicht gekündigt hat, da das e.V.-Präsidium Angst vor der persönlichen Haftung hatte, die sich eventuell ergeben hätte, wenn der TSV 1860 e.V. eventuell Insolvenz hätte anmelden müssen. Dem sei entgegnet, dass die MV 2017 ursprünglich für den 2. Juli 2017 geplant war. Die Sanierungsvereinbarung wurde aber erst am 12. Juli 2017 unterschrieben. Man hätte also die Möglichkeit gehabt, sich den Kurs „Kündigung des Kooperationsvertrages+Gefahr der Insolvenz des e.V.+Keine persönliche Haftung für das Präsidium“ von den Mitgliedern bestätigen zu lassen. Stattdessen wurde wie bereits 2011 an den Mitgliedern vorbei entschieden, den Kooperationsvertrag mit Ismaik aufrecht zu erhalten, und die MV wurde auf den 23.7.2017 verschoben, als bereits Fakten geschaffen waren. Und als wenn das noch nicht reichen würde hat man im Juni 2018 sogar noch einmal gegenüber Ismaik die Hand aufgehalten. Und bitte hört mir auf mit „vielleicht brauchen wir das Geld überhaupt nicht“. Hätte, wäre, aber. Wir geben Geld aus, das wir nicht haben, weil wir den reichen Onkel im Hintergrund haben, der schon zahlt, falls was schief läuft. Der aktuelle Kader ist ohne Ismaik unter dem Credo der wirtschaftlichen Vernunft nicht finanzierbar, genauso wie es in der 2. Liga auch war. Das ist ein Fakt. Wir sind Hoffenheim!

Der Sommer 2017 war die einzige Chance, jemals aus dem Kooperationsvertrag zu kommen. Wir waren in der 4. Liga und konnten nicht mehr weiter sinken, weil der BFV und Polizei niemals Kreisklasse-Spiele der ersten Mannschaft des TSV 1860 zulassen würden. Ab der kommenden Saison hat das Gesamtkonstrukt TSV 1860 durch die Zugehörigkeit zur 3. Liga wieder etwas zu verlieren, der „Befreiungskampf“ von Ismaik wird politisch wieder unmöglich, weil stets wieder der Absturz in die Regionalliga droht. Wir hatten die Chance und wir haben’s verkackt.

Was ist denn die Strategie, um den TSV 1860 zu einem selbstbestimmten und unabhängigen Verein zu machen? Wenn ich mir das Drees-Interview durchlese und es ihm gegenüber sehr wohlwollend interpretiere sehe ich im Moment nur Hoffen und Beten, dass Ismaik irgendwann seine Anteile an die nächste Heuschrecke verkauft. Das ist unwürdig.

Mit solch fundierten und durchdachten Beiträgen untergräbst Du meine ganze Verdrängungstaktik!

Was bedeuten Deine Überlegungen für Dich in der Praxis als Löwenfan?
Warst Du auf der MV und was sagst Du zu den Ergebnissen?

Von mir aus könnte die investorenkritische Vereinsführung sturer bzw. konsequenter sein.
Das wird vermutlich aber wieder schwierig mit SD und Trainer werden.

Wie durch meinen Beitrag oben vermutlich schon klar wurde, sehe ich weit und breit keine investorenkritische Vereinsführung. Eine investorenkritische Vereinsführung hätte zwischen dem 2. Juni 2017 und dem 12. Juli 2017 den Kooperationsvertrag mit dem Investor gekündigt. Stattdessen wurde in diesem Zeitfenster alles dafür getan, die gemeinsame Tochtergesellschaft mit dem Investor zu retten. Seit der MV wissen wir auch sicher, dass es dieses Zeitfenster gab. Es ist jetzt geschlossen weil man - gemeinsam mit dem Investor - die Sanierungsvereinbarung für die KGaA unterschrieben hat. Ich will gar nicht bestreiten, dass es gute Gründe gegeben haben mag, den Kooperationsvertrag nicht zu kündigen, auch wenn man sich darüber größtenteils in Schweigen hüllt. Die Gründe, die ich bislang erahnen kann (ich habe sie oben geschildet), sind genau dieselben, die auch Dieter Schneider 2011 hatte, als er sich für Ismaik und gegen die Insolvenz entschied. Wenn man damals gegen den Investoreneinstieg war, kann man daher meiner Meinung das Handeln der aktuellen Vereinsführung im Zeitfenster zwischen dem 2. Juni (eigentlich 6. Juni, da Reisinger erst am 6. Juni Präsident wurde) und 12. Juli 2017 auch nicht gut heißen.

Eine investorenkritische Vereinsführung würde des Weiteren keine weiteren zwei Millionen Euro von einem Investor annehmen. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Wenn ich 12 Euro habe, davon aber immer 2 Euro als Sicherheit zurückhalten muss, weil ich sonst keine positive Fortführungsprognose bekomme, dann bin ich erst in der Lage, trotzdem 12 Euro auszugeben, wenn mir jemand weitere 2 Euro zusteckt. In dieser Analogie haben wir für diese Saison 12 Euro für unseren Kader ausgegeben, weil der Hasan uns 2 Euro zugesteckt hat. Es mögen unsere „eigenen“ 12 Euro sein, die wir ausgegeben haben, und vielleicht brauchen wir die 2 Euro Sicherheit nie und fassen die 2 Euro vom Hasan nie an. Aber wir hätten ohne Hasan halt nun mal nur 10 Euro ausgeben können. Das ist es, was passiert ist. Eine investorenkritische Vereinsführung lässt den Kader des „Vereins“ nicht von einem Investor finanzieren.

In meiner Brust schlagen was die Beurteilung der Vereinsführung angeht zwei Herzen, weil diese was den e.V. angeht einen herausragenden Job macht. In der KGaA hingegen sind die aktuellen Vorgänge nichts anderes als eine Light-Version der katastrophalen Entwicklung zwischen 2011 und 2017. Daher freue ich mich über die Ergebnisse der MV, muss aber trotzdem feststellen dass im Bezug auf die KGaA ein schlechtes Lager gegen ein sehr schlechtes Lager gewonnen hat.

Für mich als Löwenfan hat zwischen dem Investoreneinstieg 2011 und dem schwarzen Freitag 2017 eine grundsätzliche Entfremdung vom Profifußball stattgefunden, die es womöglich auch ohne die Vorkommnisse beim TSV 1860 gegeben hätte, wenn auch vielleicht nicht so stark. Über Erfolg und Misserfolg sollten im Fußball Tore und Punkte entscheiden, und nicht Gesellschafterverhandlungen in der Sommerpause. In der Saison 2017/18 entschieden Tore und Punkte über den Erfolg des TSV 1860. Wenn in der Saison 2018/19 Stefan Lex ein Tor für die Löwen schießt, war dieser Erfolg nur durch eine Gesellschafterverhandlung und die Ausgabe von Mezzanine-Kapital in der Sommerpause nötig. Ohne diese Gesellschafterverhandlung kein Tor von Stefan Lex. Darüber kann ich mich nicht freuen, dafür kann ich mich nicht begeistern, das ist viel zu weit weg von meinem Ideal von Fair Play oder Sportgeist oder wie auch immer man das nennen will. Im Gegenteil, auf eine Art würde ich mich mehr über ein Tor des SV Meppen oder von Eintracht Braunschweig gegen jenen Stefan Lex freuen, weil das auf eine ehrlichere Art und Weise zu Stande kam. Die geben aus was sie haben und haben damit eben Erfolg, und wenn nicht, dann eben nicht. Das ist meine Welt, das ist fairer Sport. Dieses Sechzig verkörpert das nicht mehr. Und wenn es die aktuelle Vereinsführung nicht hinbekommt, dann gehe ich davon aus, dass meine Welt auch nicht mehr kommt. Und die einzig logische Konsequenz war der Austritt nach den 2 Millionen von Ismaik, noch vor der MV.

Danke für Deine Ausführungen und Hut ab vor Deiner Konsequenz.

Aber für mich persönlich ist dieser Schritt zu groß. Dafür sind die Fußballausflüge nach Giesing einfach zu geil.

Dann wirst Du sagen: Man kann eben nicht alles haben. Entweder oder.

Ja, ich habe erkannt, dass ich genau so wenig konsequent bin, wie der Großteil.

@NördlingerLöwe

Sehr fundiert dargestellt und vollkommen nachzuvollziehen.
Durch meinem persönlichen Kontext und dem persönlichen Verhältnis zu vielen der agierenden kann und will ich deine umgesetzte Konsequenz nicht ganz mittragen.
Aber inhaltlich kann ich (unter Vorbehalt der Informationen bzgl. der Auswirkungen auf den e.V.) tatsächlich alles so unterschreiben.

Sag niemals nie. Bei 60 kann alles passieren, zum Beispiel ein wieder anstieg, wenn die ungeduldigen tothetop-anhänger wieder die oberhand gewinnen^^

Hätt ich doch nicht nur nicht für die abstiegssaison entlasten, sondern auch nicht für Juni 2017 entlasten sollen ;)
Leider ist diese Radikalität auch nicht mehrheitsfähig im nicht-arge/ismaik-Lager

Das Gutachten liegt immer noch parat „und wird uns noch gute Dienste leisten“ (sinngemäß zitiert).

Ich hoffe die e.v.-Seite wird daran arbeiten, Hasan zur „Begehung“ eines Kündigungsgrundes zu provozieren.

du hast völiig recht, ich red mich aber noch drauf raus, dass 60 noch nie was mit Logik zu tun hatte. Lang wird die Realitätsverweigerung aber bei mir auch nicht mehr funktionieren

Ein sehr wichtiger Punkt des Kooperationsvertrages scheint mir zu sein, dass HI bei einem mögl. Verkauf seiner Anteile zwingend die Zustimmung des e.V. zum Käufer benötigt. Ich kann mir nämlich tatsächlich vorstellen, dass es noch(!) schlimmer kommen könnte…

Das ist vielmehr der einzige Punkt der dem Verein ein Recht und nicht nur Pflichten auferlegt. Wäre anders ja auch noch schöner

Meiner Erinnerung nach hat der e.V. nur ein Vorkaufsrecht ansonsten ist die HAM Ltd. eine Kapitalgesellschaft welche Herr Ismaik auch so verkaufen könnte ohne dass es einen offiziellen Besitzerwechsel gibt. Es kann natürlich sein dass dies im Kooperationsvertrag unterbunden wird.

Gegen einen Kündigungsdrang im e.V. hilt eventuell eine Lebensmitgliedschaft, dann ist der Druck vermutlich nicht mehr so hoch. Der Mayrhofer hat damals auf Facebook geschrieben er werde die Lebenden {im e.V.} von den Toten trennen. Da war es leicht dabei zu bleiben.
Robert Reisinger ist leider netter zu seinen Mitgliedern ;-)

Es gibt ja immer wieder Gerüchte um die Liquidität von Herrn Ismaik.Vielleicht hat es daher sogar etwas Gutes wenn man regelmäßig Geld abruft (auch wenn ich das nicht unterstütze).

https://tsv1860.org/2021/02/26/verena-dietl-verlaesst-den-verwaltungsrat-des-tsv-muenchen-von-1860-e-v/