Ich bin genauso wie du der Meinung, dass im Rahmen eines echten Demokratisierungsprozesses dringend auch zumindest die Möglichkeit geschaffen werden muss, bei einer Präsidiumswahl zwischen mehr als einem Kandidaten entscheiden zu können. Durch die Satzungsänderung 2013 bzw. 14 wurde ein grundlegender Fehler im System 1860, nämlich den weitestgehenden Ausschluss der Mitglieder von den Entscheidungsprozessen, korrigiert. Der zweite grundlegende Fehler besteht jedoch immer noch, nämlich dass die höchste Versammlung im Verein bei der wichtigesten Wahl auch weiterhin eine Abnickveranstaltung ist, in der der vorgeschlagene Präsidentschaftskandidat nach dem Motto „Friss oder Stirb“ vorgesetzt wird. Es gibt keine Möglichkeit, eine Alternative zum Vorschlag des Verwaltungsrates aufzubauen. Das führt dazu, dass das, was früher der Wahlausschuss war, heute der Verwaltungsrat ist.
Eine Möglichkeit zur Verbesserung dieser Problematik wäre hierbei, wie von dir vorgeschlagen, dass man den Verwaltungsrat dazu verpflichtet, dass er bei „vorliegender Zulässigkeit auch mehrere Kandidaten für das Amt zur Wahl stellen muss“. Dadurch hätte die Mitgliederversammlung zwar eine Wahl zwischen mindestens zwei Alternativen, dennoch sehe ich diesen Vorschlag aus folgenden Gründen eher kritisch:
Erstens würde dadurch alle drei Jahre eine Kampfabstimmung forciert werden. Das trägt nicht zur Befriedung des ja immer noch schwelenden Fanstreites bei, die man ja eigentlich durch die Rückkehr zur Mitgliederversammlung miterreichen wollte. Außerdem gäbe es bei einer solchen Kampfabstimmung auch zwangsläufig immer einen Verlierer, dadurch würde alle drei Jahre ein möglicherweise geeigneter Kandidat verbrannt werden, manch einer würde vermutlich aus Angst vor einer Niederlage und dem damit verbundenen Imageschaden erst gar nicht antreten wollen. Des weiteren ist auch bei mehr als einem Kandidaten nicht gesagt, dass der Verwaltungsrat dann eine „echte“ Alternative anbietet. Hätte es die von dir vorgeschlagene Regelung schon 2013 gegeben, hätte der damalige Aufsichtsrat den Mitgliedern womöglich, um ein Beispiel zu nennen, Hep Monatzeder und Siegfried Schneider vorgesetzt. Ohne die Arbeit der beiden bewerten zu wollen, wäre die Begeisterung der Mitglieder damals wohl nicht viel größer gewesen als die der Delegiertenversammlung 2013.
Um diese Probleme zu umgehen würde ich daher eher vorschlagen, den Mitgliedern ein Vorschlagsrecht für Kandidaten für das Präsidentenamt zu gewähren, ähnlich, wie das bereits für zahlreiche andere Gremien (siehe: [url]http://www.tsv1860.org/verein/neuigkeiten/wahlvorschlaege-fuer-die-mitglieder-versammlung_866[/url]) der Fall ist. Das könnte so aussehen, dass die Mitglieder eine gewisse Anzahl an Unterschriften für einen Kandidaten beim Verwaltungsrat vorlegen müssen (bei Werder Bremen sind es z.B. 50). Der Verwaltungsrat kann diesen Kandidaten dann nur aus triftigen formellen oder materiellen Gründen und schriftlich begründet gegenüber dem/den Vorschlagenden ablehnen. So wäre der willkürlichen Ablehnung von Präsidentschaftskandidaten Vorschub geleistet, gleichzeitig sind aber auch die Mitglieder in einer gewissen Bringschuld, wenn sie unbedingt einen alternativen Vorschlag für das Präsidentschaftsamt haben wollen. Eine gewisse Vorselektion der Kandidaten durch ein Gremium wie den Verwaltungsrat ist meines Wissens nach aufgrund der DFL-Lizenzierungsordnung, § 4 Nr.9, unumgänglich, und bei einem Verein der Größe des TSV 1860 und der damit verbundenenen ideelen und auch finanziellen Verantwortung durchaus sinnvoll. Mit dieser Vorselektion würde ich aus Transparenzgründen ganz bewusst eher den Verwaltungsrat als den Wahlausschuss beauftragen, da der Verwaltungsrat mehr im Lichte der Öffentlichkeit steht und eine Ablehnung eines möglichen Kandidaten entsprechend ausreichend begründet werden müsste. Ähnliche Modelle wie das vorgeschlagene gibt es auch beim Karlsruher SC, Hertha BSC Berlin, dem VfL Wolfsburg, dem Hamburger SV und Werder Bremen. Ein derartiges Vorschlagsrecht für Mitglieder ist also auch DFL-konform.
Ich bin kein Jurist und kann in diesem Fach bestenfalls mit Halbwissen dienen, aber aufgrund meiner obigen Ausführungen würde ich den Paragraphen (sind das überhaupt Paragraphen oder Artikel oder Nummern in einer Satzung? Man weiß es nicht) 11.2.1 unberührt lassen und eher die Rechte und Pflichten der Mitglieder unter § 7 erweitern und die § 11.2.2 und 15.6.4a entsprechend anpassen. Gut möglich dass man auch noch weitere Paragraphen anpassen müsste, vielleicht kann hier jemand Abhilfe schaffen der sich a bisserl besser auskennt und sich schon länger als ein paar Monate mit der Thematik beschäftigt hat.