Diese Fragen zeugen von einer enormen Verunsicherung. Deswegen sind sie es wert, dass man ausführlicher auf sie antwortet.
Niemand verlangt, dass man bei dunkelhäutigen Gegenspielern nix sagen oder plärren darf oder dass sie im Gegensatz zu weißen Gegnern unter besonderen Schutz zu stehen haben.
Dass hier aber unter Voraussetzung eines unsympathischen, provozierenden Verhaltens des Gegners bereits ein Unterschied in der Art der Reaktion darauf aufgrund von Aussehen und Herkunft (Ausländer) gemacht wird, deutet darauf hin, dass man Schwierigkeiten damit hat, den eigenen latenten Rassismus überhaupt als solchen wahrzunehmen.
Warum macht man denn bei verhaltensbezogenen schmähwürdigen Aktionen des Gegners diesen Unterschied? Wer sich wie ein Arschloch auf dem Platz verhält, kann ohne Rücksicht auf Hautfarbe oder Herkunft als genau das bezeichnet werden. Wir sind im Fußballstadion, Emotionen und so… also ganz normal.
Wenn man aber den Gegner für sein Verhalten und seine Aktionen mit Beschimpfungen bezüglich seines Aussehens und seiner Herkunft abstraft, dann sagt man allerdings nicht allein etwas über sein kritikwürdiges Verhalten aus, sondern bringt dieses darüberhinaus in einen direkten Zusammenhang zu einer Herkunft.
D.h. man bekundet die Ansicht oder schreit in den Raum, dass der Gegner explizit aufgrund seiner Hautfarbe oder Herkunft ein Arschloch ist und impliziert damit auch, dass alle Gegner, die die selben Attribute haben, eben per se aufgrund ihrer Herkunft Arschlöcher seien.
Mit anderen Worten noch einmal: du bist ein unsympathischer Provokant, weil du Ausländer bist. Und alle anderen Ausländer können aufgrund dieses Kausalzusammenhangs auch nur provokante Asympathen sein, zumindest ist von ihnen nix anderes zu erwarten.
Kann man natürlich so machen, z.B. weil man in erster Linie zurückprovozieren und den Adressaten ganz besonders schwer treffen will. Frage: muß man es wirklich so machen und ist es legitim? Und was verursacht es im Selbst- und Fremdbild sowohl des Absenders, wie auch des Adressaten und den jeweiligen Gruppen, die die jeweilig unterschiedlichen Attribute teilen?
Wenn du dich wie ein Arschloch benommen hast, ist es in deinen Augen dann legitim, wenn man nicht nur dich, sondern auch gleich deine gesamte Familie beschimpft und euch unterstellt, dass ihr allesamt nicht anders könnt, als Arschlöcher zu sein?
Andere Frage: Warum kommt man bei den geschmeidigen und üblichen Beschimpfungen von weißen Gegnern so ganz und ohne Probleme ohne Attribute der Hautfarbe und der Herkunft aus? Da gäbs doch auch eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten: Kartoffelfresser, kaukasisches Arschloch, europider Wichser, Weißarsch, Germanensau, verfickter Inländer…
Liegts vielleicht daran, dass man selbst die Attribute teilt und sich daher sehr viel leichter darüber bewußt ist, dass es keinen wirklichen Zusammenhang zwischen Herkunft/Aussehen und festgestelltem Fehlverhalten gibt, ja dass es deswegen eben eine naturempfundene Selbstverständlichkeit ist, dass der weiße Depp da unten nicht deswegen so unsympathisch und provokant auf uns wirkt, weil er weiß ist und seine Eltern vielleicht aus dem Ruhrpott kommen. Schließlich hat man ja selbst die Normhautfarbe, kann einen Inländerstammbaum nachweisen und hat das untrügliche sogar richtige Gefühl, dass der eigene Anstand und/oder das eigene Fehlverhalten nichts damit zu tun haben.
Wenn man also in der Beurteilung und der Art der Beschimpfung des Gegners Unterschiede macht, die den Fokus auf Hautfarbe und Herkunft desselbigen richten, dann ist man entweder bewußt oder unbewußt ein Rassist oder verhält sich zumindest wie einer.
Wenn man sich dieses Umstands sogar bewußt ist, aber dennoch meint, dass es im Rahmen eines Fußballspiels und unter der Vorraussetzung der damit zusammengehörigen Emotion einfach normal oder verzeihbar wäre, dann verkennt man die Wirkung, die offen vorgetragener Rassismus auf andere und das gesellschaftliche Zusammenleben hat. Ein „ich meins ja ned wirklich so“ oder „ich hab selbst ausländische Freunde“ machts nicht besser oder weniger widerlich und heilt auch nicht die Wirkung.
Eigentlich Selbstverständlichkeiten - gerade im Sport, wo man Fairplay und Anerkennung/Respekt vor Leistung und Fähigkeiten des Gegners an die erste Stelle setzt, diese aber genausowenig in den Kontext von Herkunft und Aussehen setzt, wie eventuelle charakterlichen Schwächen.
Schon traurig, dass wir in Zeiten leben, in denen man sich nicht mehr so einfach auskennt und nicht weiß, wie man jetzt wen beleidigen und beschimpfen „darf“. Das ist alles so verwirrend und kompliziert…