Leider war sowas abzusehen das es irgendwann die ersten Kneipen bzw Freiflächen erwischt.
Mich wundert es eh das der Grünspitz noch nicht bebaut worden ist…totes Kapital von der Stadt.
Finde is persönlich aber sehr schade das wieder ein Stück Charme aus Giesing verschwinden wird.
[size=12]Eine erste Kneipe bzw. Freifläche? Wo lebst Du BrickIm? Es handelt sich um die bald letzten Stüberl und Freiflächen, die in Giesing der Immobilienkrake zum Opfer fallen. Ich bin vor 14 Jahren von Sendling nach Giesing gezogen. Damals hatte Giesing ordentlich Charme und auch Geringverdiener fanden noch ihren Platz. Mittlerweile ist davon fast nichts mehr übrig geblieben. Vor allem in den letzten 5 Jahren haben Tagescafés für Schickimütter, Hippster Frisöre, Architekturbüros etc. alles verdrängt was Giesing zu einem gemütlichen Viertel seiner lässigen Bewohner gemacht hatte. Der Giesinger ist heute einem massiven Verdrängungsdruck ausgesetzt. Auch und vor allem durch Leute, die das vermeintliche In-Viertel hypen und im Gentrifizierer-Riffraff Giesing-TShirts kaufen und sich damit sonst wie hip fühlen. Als ich vor 14 Jahren her gezogen bin und den Leuten davon erzählt habe, haben mich viele Deppen bemitleidet, dass ich nicht am tollen Gärtnerplatz wohnen kann. Die selben Leute meinen heute: „Cool, Du wohnst in Giesing! Da war ich kürzlich mit Freunden bei einem ganz tollen neuen veganen Vietnamesen.“ Giesing ist längst am Arsch und diejenigen, die an Spieltagen vor und nach dem Spiel drei Stunden in der Tela abhängen und das tolle Giesinggefühl feiern, haben unser Viertel vor allem in seinem Wandel nicht wirklich kennengelernt. Die alten Giesinger hassen das neue Giesing und sind deswegen auch einem Stadionausbau gegenüber skeptisch. Weil jede Neuerung dem Viertel seit Jahren nichts positives mehr gebracht hat. Nur steigende Mieten, sterbende Traditionsgeschäfte und Stüberl. Gerade habe ich festgestellt, dass mein Blumenladen ums Eck in der Tela neben dem Schau ma moi zugemacht hat. Vermutlich zieht morgen ein Architekt hinein, der hofft dass die angesagte Adresse ihm nutzen könnte. kotz
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Armageddon, ich kann mit deinem Bericht über den Gentrifizierungs-Tornado, der in Giasing tobt viel anfangen. Du beschreibst auch gut die Doppelmoral - erst „pfui deibel“, dann plötzlich wieder „in“.
Aber zwei Sachen verstehe ich im Text nicht ganz:
a) Warum soll die dunkle, schwarz angemalte Kneipe Riffraff, in der immer gute, weil nicht mehr so angesagte Mucke läuft, ein Gentrifizierer-Laden sein?
b) Warum soll ein Ausbau des Sechzgerstadions gut für die Gentrifizierer sein? Da kommen an Spieltagen doch noch mehr Fußballfans des Proll-Vereins 1860 ins Viertel. Das schreckt
zuzugswillige Schickimickis doch eher ab, oder?
Langsam gehörts wahrscheinlich in nen anderen Fred…
Aber ich beobachte Gentrifizierungs-Entwicklungen immer mit großem Interesse. Ich wohn seit 4 Jahren in Untergiesing und bei der Miete die ich zahle, bin ich im Endeffekt selber Gentrifizierer. Der Vormierter ist ausgezogen, weil er mit dem Studium fertig war und wieder in die Heimat nach ich glaube Unterfranken gezogen ist, „vertrieben“ wurde er also nicht. An Miete hat er wahrscheinlich ein Drittel weniger gezahlt, ich wills gar nicht wissen. Aber lieber hab ich die Wohnung sag ich mir, als jemand von den Leuten, die nebenan beim hippen und überteuerten Vietnamesen einkehren.
Das Riffraff ist wahrscheinlich ein Prä-Gentrifizierungsladen. Noch zu „raw“, um in Massen „Yuccies“ (=Young urban Creatives) und Hipster in Massen anzuziehen, aber es bringt abseits der Spieltage definitiv Leute ins Viertel, die sonst nicht in Giesing weggehen würden. Das Alt-Giesing noch viel mehr. Verstehts mich nicht falsch, ich liebe das Riffraff, bin fast nach jedem Spiel dort und find auch die Vielfalt an sonstigen kulturellen Veranstaltungen (insbesondere die Oskar Maria Graf-Lesungen) dort hervorragend. Aber das hat eben den vorgenannten Nebeneffekt. Das is bei so Prä-gentrifizierenden Geschichten immer das zwiespältige: in die Läden oder zu Veranstaltungen wie Ois Giasing geht man selber gern, sie befördern aber Entwicklungen, die man eigentlich nicht möchte.
Bez. der Auswirkungen eines Stadionausbaus oder schon unserer Rückkehr bin ich zwiegespalten. Einerseits zieht es halt viele auf der Straße biertrinkende Massen ins Viertel wie schon der Blue Anarcho schreibt, was zunächst mal nicht gerade „aufwertend“ wirkt. Ob bei uns irgendwann so ein „St. Pauli-Effekt“ eintritt, bleibt abzuwarten. Einerseits wollen wir das ja (eigene Identität als in Giesing verwurzelter Kultverein in Abgrenzung zum internationalen Konzern mit Kundschaft), andererseits will keiner Eventpublikum bei Sechzig. Mir hat schon dieser englische Junggesellenabschied in der letzten Rückrunde im Stadion gereicht.
Am meisten Verachtung wie auch der Armageddon hab ich auch für diese geschissenen Architektur- und Designbüros, die sich so geil dabei vorkommen, in ihrem Scheiß Aquarium zu sitzen, wo man gezwungen ist, ihnen bei ihrer Scheiß Arbeit zuzuschauen. Die kapern somit quasi öffentlichen Raum, ohne dem öffentlichen Raum irgendwas zu bringen. Wie es eben ein Laden/Geschäft/Kneipe tun würde. In Untergiesing gibts da auch zu viele, ich reg mich jedes mal auf wenn ich an diese Scheiß riesigen Apple-Bildschirmen in der Sommerstraße vorbeilaufen muss.
Gentrifizierung, Verslumung, Landflucht, raus ins Grüne - viele diese Zyklen sind so alt wie die Stadtgeschichte. Auch Rom ist von 1 Mio Einwohner auf 20.000 geschrumpft und dann wieder zurück gekommen.
Dem Einzelnen hilft das natürlich nichts, aber ich denke da wird viel Inhalt in einen trivialen Vorgang gepackt. In 75 Jahren wohnen wieder 7 Studenten in einer heute hippen und unbezahlbaren Maisonette.
Exakt diese Diskussionen haben wir schon unter reger Beteiligung des Lippstädters im alten LF geführt ;-)
Aber: nur weil man etwas beschreibt was einen stört, heißts ja noch lang nicht, dass man das jetzt als einzelner aktiv verhindern kann und will. Dennoch ists aus meiner Sicht ein Vorteil, sich solche Entwicklungen zumindest bewußt zu machen. Und je mehr Leute hierfür ein Bewußtsein entwicklen, desto mehr Leute bringen das auch in der einen oder anderen Form auf politischer Ebene aufs Tableau und bewirken so eben vielleicht doch was. Ich verweise da auf die Aktionsgruppe Untergiesing
Ich hab in Hamburg Leute kennengelernt, die sich regelmässig organisiert in Gruppen vor diesen Büros treffen und über längere Zeit hinein starren. Wenn sie von den dort arbeitenden gebeten werden, dies zu unterlassen, weisen sie darauf hin, dass sie auf einem öffentlichen Fußweg stehen und lediglich in ein Schaufenster blicken, was doch dessen Sinn und Zweck sei. Durch diese Happenings haben sie es in die lokalen Medien geschafft und eine öffentliche Diskussion dieser schleichenden Umwidmung eines zuvor halböffentlichen Raums angestossen. Als Nebeneffekt haben einige Büros mittlerweile die Fenster verklebt oder verhängt, was sicher auch kein Nachteil ist.
Wenn das RiffRaff als Gentrifierzierungsbeschleuniger angesehen wird, wie verhält es sich dann mit dem Giesinger Bräu? Die angebotenen Craftbiere und Veranstaltungen im Stehausschank locken meiner Einschätzung nach außerhalb der Spieltage ein Publikum an, das sonst eher ein paar Straßen weiter im Glockenbach unterwegs ist. Kann eine Brauerei wie das Giesinger Bräu bei aller Bodenständigkeit auch einen negativen Einfluss auf das Viertel haben?
Definitiv. Ich war 2-3 mal bei den (übrigens ganz hervorragenden) Schlagerparties dort, da rennen Leut rum die hätten vor 5 Jahren noch Angst gehabt, die Wittelsbacher zu überqueren ;-)
Angeblich erwischt es jetzt auch das Herzogs. Unverhältnismäßige Pachterhöhung von dieser sehr beliebten Brauerei. Anscheinend drehen diese Inselkammers vollkommen durch.
Um mal wieder zum eigentlichen Thema Stüberl/Boazn zu kommen: war das Wochenende in Berlin unterwegs, inkl. wunderbarer nachmittäglicher Eckkneipen-Tour durch Neukölln. Traumhaft, was es da für Kneipen gibt. Inneneinrichtungen, die seit den 60er Jahren unverändert sein dürften. Das einzige was sich verändert hat, ist das Preise in € angeschrieben sind. Kratzbürstige Wirtinnen, die selber an den Automaten spielen. Abgestandener Rauch in der Luft. Trübe Fenster. Kümmerliche Pflanzen in den Fenstern, denen man die intensive Nikotinbehandlung ansieht. Handwerker aller Gattungen, Renterinnen die Kreuzworträtsel machen, zwischendrin 2-3 tatsächlich nicht störende Hipster aus den USA, die vom Vortag noch nicht daheim waren.
Gemessen an München kann ich auch im Vergleich von vor 2-3 Jahren in „Kreuzkölln“ (also Neukölln zwischen Kreuzberg und der Ringbahn) keine übermäßige Gentrifizierung feststellen, zumindest was die Läden und Kneipen angeht. Miete steht sicher auf einem anderen Blatt.
Hat jetzt etwa auch das Schau ma moi zu gemacht? Ist plötzlich umgebaut, ohne das schöne Fenster zur Straße hin und heisst jetzt Kronenstüberl. War das angekündigt?