Ja, es gibt einiges in ihrem Artikel, dem ich durchaus zustimmen kann. Z.B. die Einschätzung, dass Pegida mehr Symptom als Krankheit sei. Und auch die folgende Passage:
„Man muß kein Anhänger von Pegida sein, um zu fordern, dass Regierung und Gesellschaft die schwer erkämpfte Säkularität verteidigen und einer Religion, der die Aufklärung noch bevorsteht, klare Grenzen zu ziehen. Die stärksten Verbündeten wären dabei die säkularen Muslime, Menschen wie Seyran Ates, Necla Kelek, Hamed Abdel Samad, Güner Balci, die so wenig wie Christen und Atheisten wünschen, dass der Islam in Deutschland mehr Rechte und Raum beansprucht, als einer Religion in einem weitgehend säkularen Land zusteht. […] Die Grenze verläuft nicht zwischen Muslimen und Nichtmuslimen, sondern zwischen den Verteidigern des säkularen Staates und denen, die ihn unterlaufen wollen oder aus politischem Kalkül aufs Spiel setzen.“
Das klingt sehr vernünftig und gut. Aber dann kommt sie mit sowas daher:
„An diesem Montag vor Weihnachten stand auf dem Pegida-Programm das gemeinsame Singen von Weihnachtsliedern. Obwohl Zettel mit den Texten herumgereicht wurden, fiel der Versuch eher kläglich aus. Aber wenn danach Herr Alboga von der Ditib, die christlichen Kirchen und SPD-Funktionäre den Demonstranten Missbrauch christlicher Lieder vorwerfen, kann ich darin nur eine unbegreifliche Anmaßung sehen.
Weihnachtslieder sind nun einmal von Natur aus christlich konnotiert, aber sie gehören zu jeder deutschen Kindheit, ob christlich oder nicht. Selbst in der atheistischen DDR wurden Weihnachtslieder gesungen.
So unvollkommen der Gesang an diesem Abend war, klang er aus manchen Gruppen, die auf dem Theaterplatz versammelt waren, ganz inbrünstig.
Hätten die Gegendemonstranten auf dem Postplatz sich nicht darauf beschränkt, die Pegida durch Pfeifkonzerte zu stören, sondern hätten sie textsicher und stimmkräftig bewiesen, dass sie die wirklichen Bewahrer der Kultur und christlicher Werte sind, dann hätte es ein Triumph für sie sein können.“
Aha. Es geht ihr also auch um „die wirklichen Bewahrer der Kultur und christlicher Werte“. Da haben sich die Gegendemonstranten disqualifiziert, weil sie nicht mitgesungen haben. Man findet sie aber bei den inbrünstigen Sängern unter den Pedigaisten. Worauf soll das dann eigentlich hinauslaufen, auch in einem säkularisiertem Staat? Ein Clash der Kulturen wär also angebracht? Es ist notwendig und wichtig, dass die Christen lauter schreien, singen, sich gebärden, als die Muslime?
Wenn es ihr wirklich nur um eine richtige Umsetzung des sekulären Anspruchs in unserem Staat gänge, wäre das Gegenüberstellen der zu bewahrenden Kultur und christlichen Werte nicht nötig gewesen. Und konsequenter Weise sollte ein säkulärer Staat die gleichen Maßstäbe auch für die christlichen Glaubensgemeinschaften anwenden. Also z.B. keine Kreuze in öffentlichen/amtlichen Gebäuden und in Schulen, kein Eintreiben der Kirchensteuer durch den Staat, keine Donationen und kein staatlicher Unterhalt für kirchliche Einrichtungen, Würdenträger und deren Ausbildung. Aber ich glaub da beißts dann aus, weil „des Kreiz hod do scho oiwei ghängt und des bleibt“ - da geht des Gschroa los und dann hat das säkuläre Prinzip der Trennung von Kirche und Staat hinter einer Tradition zurückzutreten und keine Wirkung.
Für mich reimt sich die Maron da nicht wirklich zusammen. Ein wirklich säkulärer Staat sollte die Trennung konsequent vornehmen. Wie selbstverständlich schwören unsere hohen Amtsvertreter bei der Vereidigung auf die Bibel, so wahr ihnen Gott helfen möge. Warum eigentlich? Sind wir denn ein Gottesstaat? Oder ist das nur traditionelle Folklore, die nur deswegen dazugehört, weils mal jemand eingeführt hat und es nur noch nicht aufgegeben wurde? Wofür braucht man das Brimborium? Aber HaltStopp! Jetzt hetz ich gegen Werte… tut mir leid. Aber welche Werte sind jetzt wertiger? Das säkuläre Prinzip in unserem Staat oder die offenbar ausschließlich christlich geprägte abendländische Kultur? Mir scheint Frau Maron gibt für sich eine Antwort.
Und wenn man alles säkulär betrachtet, sich auch der europäischen Aufklärung und ihrer Werte verschreibt: kann es dann sein, dass man einer Relegionsgemeinschaft mehr Rechte und Privilegien einräumt als einer anderen? Religion ist Privatsache und der Staat sollte es auch als solches behandeln - neutral und gleich. Er hat die Religionsfreiheit gemäß seiner Verfassung zu schützen und darauf zu achten, dass man nicht aufgrund einer religiösen Zugehörigkeit diskriminiert wird. Mehr nicht. Keiner - K E I N E R - Religion sollte es gestattet sein sich des Staates zu bedienen oder sich über ihn Privilegien zu verschaffen. Ich hoffe Frau Maron sieht das auch so. Ich denke sie möchte die Konfliktgrenze scheints auch in der Privatgesellschaft verankert sehen, eben als Sängerwettstreit. Und da darfs keinen Fußbreit an gleichen Rechten für diese fremde Religion geben. Die „Deutungshoheit“ sollte wem gebühren? Natürlich nicht einer religiösen Minderheit, wie man Frau Marons Text entnehmen kann, weil das nervt. Aber warum sollte man in einem säkulären Staat die Deutungshoheit statt dessen ausgerechnet bei einer anderen Religion suchen, bloß weil diese eine Mehrheit stellt und eine Tradition aufzuweisen hat bzw. die eigenen staatlichen und gesellschaftlichen Werte ausschließlich aus dieser ziehen? Das Abendland hat genügend eigene Werte hervorgebracht, von mir aus auch aus christlicher Ethik mit einfließen lassen (quasi transzendiert), dass man unabhängig vom christlichen Glauben diese leben kann. Genau diese gilt es zu verteidigen, um unsere Gesellschaft funktionieren zu lassen. Durch Ausgrenzung von Minderheiten oder Teilen der Gesellschaft, setzt man diese Werte aufs Spiel.
Überhaupt: Islamkritik! Als ob es sowas wie den Islam als Solches, als homogene Einheit, gäbe. Wir haben hier die evangelischen und die echten (katholischen) Christen, die Adventisten, die Apostolischen, die Zeugen, die Orthodoxen usw. usf. Die sind auch ziemlich gut bis straff organisiert. Ich seh zwischen diesen verschiedenen Strömungen teils enorme Unterschiede. Aber der Islam scheint ja nur aus Salafisten zu bestehen, weswegen man ihn auch ganz pauschal kritisieren darf. Die verschiedenen Strömungen der christlichen Lehre sind aber kaum aufzählenswert im Vergleich zu den unterschiedlichsten Ausprägungen der mohammedanischen Lehre. Sunniten und Schiiten sind nur zwei grobe Strömungen innerhalb des Islam und sie zerfallen jeweils in eine Unzahl von Richtungen, Ausprägungen und Lebens- und Denkweisen, dass man sich im Vergleich dazu frägt, warum hier ein solches Gschies wegen der Ökumene zwischen den evangelischen und katholischen gemacht wird. Und in der Regel gibt es nichtmal eine organisierte „Kirche“ bei den Moslems, keinen obersten Glaubensführer. Die Auslegung und die Grenzen des Islams werden durch eine Unzahl an Lehrern, Imane, Gruppen und Schulen teils sehr unterschiedlich definiert. Dann gibts da auch noch die sehr große Zahl an weltlich orientierten Moslems, die zwar schon irgendwie glauben, diesen Glauben aber etwa so konsequent leben wie der Großteil der Christen hierzulande den ihren, und gepflegt ihren Feierabend-Raki trinken. Welche Art des Islams ist jetzt eigentlich gemeint, wenn man von der Islamisierung des Abendlandes hysteriert?
Nichtsdestotrotz wünsche ich dem Islam an sich eine Periode der Aufklärung. Das schadet niemandem und uns Abendländlern würde ein Auffrischungskurs sicher auch gut tun.
Die Frau Maron war also vor Ort und alles was sie mitbrachte sind Eindrücke vom inbrünstigen Weihnachtssingen im Gegensatz zum nichts bewahrenden Pfeiffkonzert, die Erkenntnis, dass die Leute dort normal sind und sich wirklich nur um eine islamistische Aushöhlung der christlich geprägten abendländischen Kultur sorgen und dass die Politik bei der Integration versagt hat und dass man „Kraft und Nervenstärke“ braucht, um die eigene Meinungsfreiheit ausüben zu können. Toll. Von so Stimmungen, die in die Richtung „das Boot ist voll“ gehen, die Flüchtlinge als bevorzugt gegenüber deutschen Familien sehen, die ihre Motivation aus der eigenen ökonomischen Situation ziehen oder schlicht xenophob sind… davon hat sie scheints nichts mitbekommen. Dieser Aspekt scheint auch nicht relevant zu sein, wenn man sich in der Wahrnehmung allein auf die Reden von der Bühne und das Programm der Pegida fokussiert - es wollen ja alle nur das eine Schöne, Wahre und Gute: säkulär sein und keine Extremisten im Haus.
[…]