Es scheint, und das ist wohl nicht nur ein deutsches, sondern ein weltweites Problem, dass gesellschaftspolitische Debatten immer mehr sehr schnell in schwarz-weiß-Schemata abgleiten und die jeweiligen Seiten sich nur in ihrer Ideologie bestätigt sehen wollen, dabei aber das eigentliche Thema, nämlich eine utilitaristische Verbesserung für „die Gesellschaft“, aus den Augen verlieren. Dann geht es ganz schnell nicht mehr um Flüchtlinge, Migranten, die Möglichkeiten, Chancen und Risiken deren Migration und Integration und wie man all das verbessern könnte, sondern nur noch um das eigene Weltbild: Um Weltoffenheit, oder auf der anderen Seite die Verteidigung der deutschen/europäischen Kultur.
Für einen Politiker aus dem bürgerlichen/konservativen Lager scheint es unmöglich zu sein, offensiv auf die Vorteile von Migration für die Staatskasse, die Wirtschaft, die Rentenkassen in Zeiten des demographischen Wandels usw. hinzuweisen, während ein Politiker aus dem liberalen/linken Lager geteert und gefedert werden würde, wenn er auf mögliche oder bereits existierende Parallelgesellschaften hinweist, die mit der selbst propagierten egalitären Gesellschaft nicht vereinbar sind. Beide verharren auf Extrempositionen und verkennen, dass hinter beiden Interpretationen ein Stückchen Wahrheit steckt. Kein Wunder, dass eine sachliche Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Polen dann nicht mehr möglich ist. Anfang des Jahrhunderts gab es diese unsägliche „Leitkultur-Debatte“, die eigentlich einen sehr schlauen Ursprung hatte, dann aber schnell wieder genauso verunsachlicht und instrumentalisiert wurde, wie eben die aktuelle Debatte.
Wir, und damit meine ich die Gesellschaft als Ganzes, scheinen einfach zu dumm zu sein, die Graustufen in dieser Diskussion zu erkennen. Und so ist dann auch keine Verbesserung der Lage möglich. Es gäbe nämlich vieles zu verbessern: Menschen ertrinken im Mittelmeer, Kriegsflüchtlinge haben monatelange bürokratische Verfahren durchzustehen und werden dann oftmals abgelehnt, während Deutsche jährlich 28 Millionen Euro ausgeben, um auf Autobahnraststätten pinkeln zu dürfen. Gleichzeitig gibt es Bevölkerungsgruppen, in denen entscheidende europäische Werte wie Geschlechtergleichheit nicht existent sind und die deutsche Sprache nicht als einer der entscheidenden Bausteine zu einer erfolgreichen Integration (nicht Assimilation), mehr in der Schule oder am Arbeitsplatz als in der „deutschen Kultur“, angesehen wird.
Beides wird nicht dadurch verbessert dass die beiden Lager die Argumente des jeweiligen anderen ins Lächerliche ziehen. Auch wenn das schwerfallen mag, da manche Argumente einfach hanebüchen sind, was aber wiederum daran liegt, dass eine sachliche Debatte aus den oben genannten Gründen oder in manchen Fällen auch schlichtweg aus mangelnder Information bzw. Bildung nicht möglich zu sein scheint. Wir verbessern die Lage weder dadurch, dass wir alles Fremde aus dem Land verbannen, noch dadurch, dass wir der multikulturellen Gesellschaft zu Liebe unsere entscheidenden Werte aufweichen. Und damit meine ich nicht Bier, Schweinsbraten und Lederhosen, sondern Menschenwürde, Gleichheit, Freiheit.
Und so singen halt die einen Weihnachtslieder zur Verteidigung des Abendlandes und verkennen dabei dass sie diese Lieder ohne kulturellen Wandel nicht singen würden.
Und die anderen verkennen die Herausforderungen, die muli-ethnische Gesellschaften mit sich bringen.
Wir drehen uns im Kreis, vor Lampedusa stirbt ein Kind und die 14-jährige Muslimin aus der bildungsfernen Familie bemerkt, dass sie weniger wert ist als ihr Bruder. Aber gut, dass wir mal drüber geredet haben.