Ich bin ja nie in dieser ekligen Arena und als so einer natürlich kein Augen- und Ohrenzeuge zu den ganzen Vorfällen. Aber dafür hab ich mir den ganzen Rotz in der Presse reingezogen und will jetzt auch meinen Rotz dazu abgeben.
Zunächstmal hab ich die Presseaufarbeitung etwas anders aufgenommen, als manche hier. Ich war nach den ersten Meldungen sogar richtiggehend überrascht, wie differenziert - im Besonderen bei unserem nicht grade dafür herausragenden Münchener Boulevard - innerhalb der Artikel darüber berichtet wurde. Das lag mit Sicherheit auch an den sehr differenzierten und guten Aussagen von Gunesch und da Costa, die erst gar nicht viel Spielraum für Verallgemeinerungen in Bezug auf alle Löwenfans zuließen. Stets wurde nur von einzelnen und wenigen Plärrern berichtet, das Ganze auch auf tz und AZ ungewohnt sachlich und wohl korrekt wiedergegeben. Ebenso wurden die bereits ergriffenen Maßnahmen und Aktionen des Vereins, seine unmittelbare Reaktion, wie auch das Raustreiben der Nazi-Honks aus der Stehhalle beim Ama-Spiel durch aufrechte Löwenfans positiv erwähnt. Alles in Allem eigentlich prima.
Anders siehts natürlich mit den Artikelüberschriften aus. Die suggerierten einen Skandal und ein Rassismusproblem bei 1860, das extrem übertrieben daherkommt, da sie solch unbegründeten Verallgemeinerungen bewußt Vorschub leisten. Keine Ahnung, ob die artikelschreibenden Redakteure und Journalisten die Headlines selbst formulieren oder ob Chefredakteure in Hinblick auf Verkaufs- und Klickzahlen entscheiden, was da zu stehen hat. Die reisserischen Titel passten jedenfalls nie wirklich mit den Artikelinhalten zusammen. Wer seine Infos also nur aus den Überschriften zieht, erhält zwangsläufig ein sehr schiefes Bild. So läuft aber leider das Geschäft(smodell) bei der Boulevardpresse, auch wenns recht verantwortungslos ist, die journalistische Sorgfalt gerade bei Headlines und Teasern für den Verkauf mal lieber vom Tisch fallen zu lassen.
Als Skandal und ein 1860-spezifisches Rassismusproblem muß man das Ganze wirklich nicht auffassen, denn dann würde landauf landab tagtäglich über Skandale und Rassismus nicht nur in den Fußballstadien berichtet werden müssen. Wir haben ein Problem, das weder gravierender ist, noch weniger Aufmerksamkeit verdient, als andernorts und mit so eklatanten Auswüchsen wie z.B. bei Lazio Rom ist es auch nicht vergleichbar. Dennoch finde ich die mediale Aufmerksamkeit hierbei jetzt gut, denn nur so kann sich etwas zum positiven verändern, nur so kann die Masse für dieses Thema sensibilisiert werden und schließlich ein Konsens im Umgang miteinander hergestellt werden. Solche Geschichten unter den Teppich zu kehren bewirkt nur, dass es so weiter geht und wahrscheinlicher noch: auch wieder schlimmer wird. Und auch nur so scheint es zu gelingen, Vereins- und KGaA-Verantwortliche aus der diesbezüglichen Passivität zu locken.
Schlimm fand ich weniger die Berichterstattung über den „Skandal“, sondern mehr die Kommentare einiger weniger Löwenfans dazu (gerade und mal wieder bei tz/AZ), denen es scheinbar sehr viel wichtiger ist, dass nicht ständig übertrieben wird, das ausschließlich nur weil dies ein schlechtes Licht auf 1860 werfen würde - noch dazu, wo doch aktuell mal sportlich alles recht gut läuft und das Pokalspiel gegen den BVB usw. Wer auf die bei den Löwen bestehenden Problematiken mit Nazis oder Rassismus hinweist, wird gleich als Nestbeschmutzer gebrandmarkt, die die Berichterstattung auslösenden Aussagen von Gunesch/da Costa werden als Ablenkung von der eigenen sportlichen Leistung relativiert und die eigentlich ursprüngliche Sauerrei der rassistischen Beleidigung überhaupt gar nicht als solche anerkannt. In einem Artikel wurde der dingfest gemachte „Einzeltäter“ übrigens als ich glaub 35jähriger Familienvater mit einschlägig vorbekannten rechtsideologischen Tendenzen beschrieben.
Gut fand ich die Reaktion seitens des TSV, dass recht unmittelbar und schnell auf den Skandal eingegangen, eine Anzeige erstattet und ein Stadionverbot ausgesprochen wurde. Trotzdem ist es irgendwie so wie immer: man reagiert bloß, aber immerhin mal richtig und angemessen. Wünschenswert wäre aber tatsächlich mal eine Art Strategie, die auf Nachhaltigkeit und Kontinuität setzt, so wie es Herbert Schröger in dem Interview gefordert hat. Dem kann man im übrigen sicher nicht vorwerfen, dass er ausgerechnet jetzt ein Interview gegeben hat und sich als Selbstdarsteller aufspielt, wie sich manche User-Kommentatoren unter dem Interview nicht zu unterstellen entblöden. Ist ja wohl klar, dass die Presse aus gegebenen Anlass alles und jeden, auch Jimmy Hartwig, zu der Thematik unaufgefordert befragt. Und wenn Herbert schon gefragt wird, dann antwortet er halt das, was er zu dem Thema zu sagen hat - und mit dem hat er auch recht.
Oder hat sich seit dem letzten medialen Kurzgewitter bzgl. Nazis in der Löwenkurve irgendetwas groß verändert? Hat sich in Block 132 etwas verändert? Sind die stadtbekannten Nazikader aus der Arena verschwunden? Wurde der groß angekündigte Maßnahmenkatalog des Vereins/der KGaA bereits umgesetzt? Nach wie vor bleibt man passiv, begnügt man sich mit Reaktionen, die erst durch mediale Aufmerksamkeit notwendig werden, statt sich aktiv und gestaltend der Thematik anzunehmen und somit auch zu einem besseren Ruf und einer grundsätzlich anderen öffentlichen Wahrnehmung des TSV beizutragen. Auch wenn ebenso die Fans gefragt sind, darf man ihnen die Verantwortung nicht alleine aufschultern. Von mir aus darfs daher gern noch ein paar solcher Skandale geben.
Aber wie gesagt: die unmittelbare Reaktion des TSV war diesmal vorbildlich, klar und deutlich. Wobei ich mir (und das jetzt quasi Strategie für die Zukunft) wünschen würde, dass z.B. wie im Falle der durch den Schiedsrichter veranlassten Stadiondurchsage auch Klartext gesprochen wird, wenn man in der Durchsage statt von „Respekt“ und „fairen Umgang“ zu reden und nur darum zu bitten ganz klar sagt, dass die betroffenen Dumpfnasen ihre rassistischen Beleidigungen gefälligst zu unterlassen haben - ganz ohne „bitte“ und gerne im scharfen Ton. Nebenbei ergäbe sich sehr schnell ein Schulterschluß mit den Fans, die akustisch bedingt gar nicht mitbekommen, was vorgefallen ist, dann aber entsprechend in Sprechchören reagieren und mitteilen können, was sie vom rassistischen Nazidünnpfiff so hält. Auch so verbessert man die öffentliche Wahrnehmung und aus dem vermeintlichen Riesenskandal um rassistische Löwenfans würde ratzfatz eine lautes Statement von Verein und Fans gegen Rassismus und Rechtsextremismus, der auch in der Presse positiv aufgenommen würde. Ob Teile von Block 132 dabei still bleiben ist egal - wohl fühlen würden sie sich sicher nicht und auch das ist wichtig.
Auch dieses kurze Mediengewitter bietet daher m.E. mehr Chancen, als dass dadurch wirklich Schaden anrichtet wird. Denn der Ruf ist und war doch ohnehin schon ruiniert, egal inwieweit gerechtfertigt er begründet ist. Man muss diese Chancen aber auch nutzen und teilweise hats der TSV jetzt auch vorbildlich gemacht. Er sollte aber nicht erst wieder auf die nächste unschöne Gelegenheit warten um aktiv zu werden/bleiben.
Jetzt geh ich Duschen.