Der TSV 1860 München bestreitet ein Freundschaftsspiel gegen Newcastle United. Sportwashing für Saudi-Arabien? Oder einfach nur ein tolles sportliches Event?
Ein Journalist veröffentlichte auf Twitter die Nachricht
Als der Journalist Craig Hope auf Twitter die Nachricht öffentlich machte, dass Newcastle United und der TSV 1860 München ein Freundschaftsspiel bestreitet, war 1860-Gesellschafter Hasan Ismaik einer der Ersten, der das retweetete. Und zwar nicht, wie gewohnt, von seinem Account "Ismaik 1860 Munich" sondern zuerst von seinem persönlichen Konto. Zwischen zwei Tweets, die auf Artikel zum Thema Saudi-Arabien verweisen, die er selbst geschrieben hat. Ismaik macht kein Hehl daraus, dass er von de Rolle des arabischen Königreichs in der Welt eine hohe Meinung hat. Da wirkt der Tweet rund um den TSV 1860 München und Newcastle irgendwie deplatziert. Oder eben nicht. Wenn man genauer hinschaut.
Ismaiks Retweet zwischen Artikeln rund um Saudi-Arabien
Es mag Zufall sein, dass der Retweet irgendwo zwischen zwei Texten rund um die Bedeutung von Saudi-Arabien als regionaler und internationaler Akteur zu finden ist. Und wer nicht weiß, dass Newcastle United in den Händen eben von Saudi-Arabien ist, dem fällt es auch gar nicht auf. Das man Saudi-Arabien Sportwashing vorwirft und das Königreich dabei wohl auch den Traditionsklub aus Newcastle nutzt, ist allerdings im Sport und in der Politik durchaus ein vieldiskutiertes Thema. Vor allem in Großbritannien.
Ein moralischer Tiefpunkt
Ich habe heute bereits viele Argumente gehört, warum man das Freundschaftsspiel des TSV 1860 München gegen Newcastle United nicht kritisieren sollte. Ob Katar, Abu Dhabi oder eben nun Saudi-Arabien - wenn man nur tief genug in die Materie Fußball eintaucht, dann wird klar - irgendwie ist jedes Geld im Fußball schmutzig. Für mich ist das kein Argument. Ich bin da ganz ehrlich: das Testspiel zwischen dem TSV 1860 München und Newcastle United ist für mich ein moralischer Tiefpunkt.
Saudi-Arabien und Menschenrechte
Denn bei Newcastle United und Saudi-Arabien ist das noch mal eine ganz andere Sache. Während man anderorts zumindest bemüht ist, sich gewissen Werten anzunähern, macht man im Königreich Saudi-Arabien keinen Hehl aus einer Vorgehensweise, die immer wieder gegen die Menschenrechte gerichtet ist. Vor dem G20-Gipfel meinte Außenminister Adel Al-Jubeir über die Todesstrafe gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: "Ihr habt eure Gesetze, wir haben unsere Gesetze." Damit war alles gesagt. Im März 2022 hat man nach eigenen Angaben an einem einzigen Tag 81 Menschen in Saudi-Arabien hingerichtet. Menschenrechte sind so gut wie nicht vorhanden. Es gibt keine Pressefreiheit. Homosexualität ist verboten. Rechte von Frauen sind eingeschränkt. Die Liste ist ewig lang und reicht bis zum Vorwurf der Ermordung von regimekritischen Journalisten.
Sportwashing
Derartige Vorwürfe rücken schnell in den Hintergrund. Immer dann, wenn man andere Themen auf die Bühne zerrt. Perfekt geeignet ist dafür vor allem der Sport. Sportwashing nennt man diese Taktik. Das Königreich ist dabei äußerst fleißig und gibt Milliarden dafür aus. Deshalb war die Kritik in Großbritannien groß, als Newcastle United an ein Konsortium rund um Saudi-Arabiens Staatsfonds verkauft wurde.
"In Newcastle ist die Saudi-Arabien-Flagge jetzt ein Fanartikel" titelte der Spiegel im November 2021 und schreibt: "Die Flagge eines Regimes, dem schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden." Die Flagge zeigt das Glaubensbekenntnis des Islams, die sogenannte Schahada. Im Übrigen hat man auch das Trikot von Newcastle so gestaltet, dass es in den Farben des Königreichs glänzt, berichtet zu Beispiel Sky. Was in den vergangenen Wochen bereits für vehemente Kritik gesorgt hat.
Zuerst Solidarität für die Ukraine - dann Sportwashing für Saudi-Arabien
Solidarität mit Flutopfern, Solidarität mit der Ukraine. Aber dann ein Freundschaftsspiel gegen Newcastle United? Das erschließt sich mir in keiner Weise. Das ist definitiv die falsche Botschaft. Und für mich gibt es da auch wenig Diskussionsspielraum. Für Saudi-Arabien ist mit diesem Spiel in jedem Fall ein Schritt im Hinblick auf das Sportwashing getan. Der Focus auf den Sport. Weg von Massenhinrichtungen, weg von der Ermordung und Folterung systemkritischer Menschen. Weg von der Verfolgung homosexueller Menschen. Mit einem Freundschaftsspiel erreicht man genau diesen Effekt. Das ist ein katastrophales Signal.
Viele Löwenfans sehen vor allem eins: ein sportliches Event. Sie erinnern sich an das einstige Newcastle United. Und vermutlich wollen viele meine Kritik gar nicht hören. Am Ende ist es wahrscheinlich ohnehin nicht aufzuhalten. Das blutiges Geld die Fußballwelt beherrscht. Das wir für tolle Sportereignisse die Moral auch mal einfach in die Tasche stecken.
Weiterführende Informationen zu diesem Thema
Sportschau: Newcastle im Goldrausch
Christian Streich (Freiburger SC) kritisiert Newcastle United
Kick11 - Darum haben die Saudis Newcastle United wirklich gekauft
81 Hinrichtungen in Saudi Arabien an einem Tag: Muss Newcastle United die Reißleine ziehen?
Im Oktober 2021 gab Newcastle United die Übernahme des Vereins durch ein vom saudischen Staatsfonds Public Investment Fund angeführtes Konsortium mit Beteiligung von RB Sports & Media und PCP Capital Partners bekannt. Dies sorgte natürlich für enormes Aufsehen, zumal der Klub finanziell auf einen Schlag der reichste Verein der Welt wurde und man die täglichen Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien gewissermaßen mitträgt. Doch darf ein Verein nur für den Erfolg so weit gehen? (Weiterlesen bei 90 min)
Wirbel um Newcastles "Saudi-Trikot"! Amnesty International reagiert
Newcastle United hat am Dienstag offiziell sein neues drittes Trikot präsentiert. Das Design erinnert dabei stark an das Nationalmannschafts-Jersey Saudi-Arabiens, was bei vielen Fans für Empörung gesorgt hat. (Weiterlesen bei Sport Sky)
Plötzlich der reichste Klub der Welt - doch zu welchem Preis?
Ein Konsortium aus Saudi-Arabien kauft den Premier-League-Vorletzten Newcastle United. Bedenken wegen des Umgangs mit Menschenrechten im Land der neuen Besitzer ignorieren nicht nur die Fans. (Weiterlesen bei der SZ)